Die öffentliche Wahrnehmung von Horst Hrubesch hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Einst als etwas einfältiger „Manni Flanke, ich Kopf, Tor“-Stürmer belächelt, gilt Hrubesch heute als einer der besten Trainer für talentierte Nachwuchsspieler. Andreas Schier stellt den uneitlen Westfalen auf 300 Seiten vor.
Die Hrubesch-Biografie stand bei mir schon länger auf der Leseliste, weil mich der Mensch Hrubesch begeistert. Spätestens mit dem Gewinn der U21 Europameisterschaft 2009 mit Spielern wir Neuer, Khedira und Özil bin ich auf den Trainer Horst Hrubesch aufmerksam geworden. Es war sein zweiter Titel mit den vorher chronisch erfolglosen DFB-Nachwuchsmannschaften und alle Spieler lobten ihren Coach anschließend in den höchsten Tönen.
Hrubeschs Spielerkarriere habe ich noch nicht bewusst wahrgenommen. Natürlich ist mir als Fußballfan der Begriff „Kopfballungeheuer“ geläufig, und die Traumkombination Kaltz-Hrubesch kenne ich auch. Viel mehr wusste ich dann aber auch schon nicht.
Andreas Schier beginnt seine Erzählung (nach einem Prolog mit dem EM-Finale 1980) in Hrubeschs Geburtsjahr 1951. Ältestes von vier Kindern, schon immer sehr lebhaft und willensstark, Eintritt in den Fußballverein FC Pelkum mit 5 Jahren, wegen des trinkenden und häufig abwesenden Vaters früh Verantwortung als Vater-Ersatz für die jüngeren Geschwister. Ein starker Familienzusammenhalt mit den Großeltern charakterisiert Horst Hrubeschs Kindheit ebenso, wie der große Arbeitsethos seiner Mutter. Diese Wesenszüge spiegeln sich unmittelbar in den von Hrubesch trainierten Mannschaften.
42 Treffer in einer Saison – bis heute Rekord im deutschen Profifußball
Aus heutiger Sicht war Hrubesch ein echter Spätstarter im Profifußball. Erst nach seiner Lehre zum Dachdecker, während der er unterklassig parallel Fußball und Handball spielte, und dem anschließenden Wehrdienst wechselte er mit 24 Jahren zu Rot-Weiß Essen in die Bundesliga. Dann allerdings machte er gleich Eindruck, erzielte in seinen ersten neun Einsätzen zehn Kopfballtore. Trotz 38 Toren in 48 Spielen von Hrubesch für RWE stiegen die Essener im zweiten Jahr ab. Nachdem der Wiederaufstieg im Folgejahr trotz 42 Hrubesch-Treffern wegen eines vergebenen Elfmeters im entscheidenden Relegationsspiel verpasst wurde, wechselte Hrubesch zum Hamburger SV, wo er die prägendsten Jahre seiner Karriere verbrachte.
„Ist das hier, wo wir nachher den Pokal abholen können?“ – Horst Hrubesch bei der Platzbegehung in Athen vor dem Europapokalfinale 1983
Trainerlegende Ernst Happel führte die Mannschaft um Hrubesch, Magath, Jakobs, Kaltz und Co. zu drei deutschen Meisterschaften und dem Sieg im Europapokal der Landesmeister. Mit dem schweigsamen Österreicher lag Hrubesch auf einer Wellenlänge. Der „Wödmasta“ holte seinen ehemaligen Stürmer später als Co-Trainer nach Wien. Zu diesem Zeitpunkt hatte Hrubesch schon eigenverantwortlich Rot-Weiß Essen und den VfL Wolfsburg trainiert.
Nach dem plötzlichen Tod Happels übernahm Hrubesch mit einigem Erfolg den Trainerposten in Wien. Auf seinen anschließenden Stationen war er nicht so erfolgsverwöhnt, zum Teil dauerten sie nicht besonders lange. Sein großes Trainerglück fand Horst Hrubesch 1999, als er zum DFB wechselte und seitdem viele verschiedene Nachwuchsmannschaften trainierte.
Schier hat mit fast 200 Menschen gesprochen, denen Horst Hrubesch in seinem Leben näher begegnet ist. Ehemalige Mitspieler sind genauso dabei wie Familienmitglieder und der beste deutsche Fliegenfischer Rudi Heger. Den kontaktierte Hrubesch, als er das Fliegenfischen erlernen wollte. Großen Lernwillen und eine systematische Herangehensweise an Neues zeigt Hrubesch mehrfach und auch in höherem Alter. Wahrscheinlich kann er diese Dinge auch deswegen authentisch vermitteln.
„Wenn (der befreundete Autohändler) Detlef Kebbe mal Hilfe benötige, dann war Horst Hrubesch eine gute Adresse: „Langer, ich brauche jemanden, der mir meinen Kellerraum fliest.“ Da musste der gelernte Dachdecker nicht lange überlegen: „Dat mach ich dir“, sagte er und erledigte das ohne großes Aufheben zwischen zwei Trainingseinheiten.“ (S. 89)
Der Stil des Buches war mir in Teilen etwas zu hölzern. Auch hätte ich mir gewünscht, Andreas Schier hätte zumindest ein oder zwei Personen zu Wort kommen lassen, die nicht ausnahmslos positiv über Horst Hrubesch sprechen. Mir war es der Lobhudelei ein wenig zuviel.
Inhaltlich bietet das Buch aber so viel, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte. Wer weiß schon, dass Hrubeschs erster Co-Trainer Peter Neururer war? Oder, dass Hrubeschs Lieblingsmannschaft bis heute die zusammengewürfelte U20 ist, mit der er bei der WM in Ägypten bis ins Viertelfinale kam? Ein ganz tolles Buch über eine deutsche Fußballlegende.
Schier, Andreas: Horst Hrubesch – Die Biografie. Gütersloher Verlagshaus 2015 (2. Auflage). 304 Seiten.
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Das Buch wurde mir auf Anfrage vom Verlag zur Verfügung gestellt.