Lucky Loser

Felix Hutt war ein talentierter Tennis-Nachwuchsspieler. Bayerische Auswahl, Top 40 in Deutschland. Für die große Karriere hat es nicht gereicht, er ging ans College, heiratete, irgendwann schliefen Ehrgeiz und Leidenschaft für den Sport etwas ein. Gut fünfzehn Jahre später will er es noch einmal wissen und nimmt uns mit auf die Jagd nach einem Weltranglistenpunkt.

Südafrika, 29. Januar 2017. Felix Hutt macht mit seiner Freundin Urlaub in einem Haus am Strand. An diesem Vormittag hat er aber nur Augen für den Fernseher. Roger Federer und Rafael Nadal stehen sich im Finale der Australian Open gegenüber und liefern sich einen fantastischen Schlagabtausch. Federer gewinnt, doch das ist für Hutt nebensächlich. In ihm hat dieses Spiel ein heruntergeglimmtes Feuer neu entfacht. Wenn Federer in seinem Alter (Jg. 81) nach sechs Monaten Verletzungspause so zurückkommen kann, will er (Jg. 79) es auch nochmal mit dem Tennis versuchen.

Hutt arbeitet als Journalist und hatte 2012 schon einmal für eine Reportage an einem Future-Turnier in Kambodscha teilgenommen. Futures sind in der Wertigkeit der Weltranglistenturniere die niedrigste Kategorie, an deren Spitze die Grand Slams vor der Masters Serie stehen. Bei einem Turnier der Future-Serie bekam bis 2018, dem Jahr von Hutts Erzählung, einen Weltranglistenpunkt, wer das erste Spiel der Hauptrunde gewann. Genau das nimmt sich Felix Hutt vor, als er unmittelbar nach dem Federer-Nadal-Finale mit dem Training beginnt: einmal in der Weltrangliste notiert sein, also einen Weltranglistenpunkt erobern.

Hutt beginnt sein Unterfangen strategisch. Er muss sich körperlich in Form bringen, das ist dem Weißbier- und Braten-Liebhaber klar. Außerdem sollte er seine Position in der deutschen Rangliste verbessern, die Einfluss auf seinen Platz in den Wartelisten der Future Turniere haben wird. Die Futures richten sich vor allem an aufstrebende Jungprofis. Das Teilnehmerfeld besteht aus gesetzten Spielern, die bereits in der Weltrangliste platziert sind, Qualifikanten und einigen Wildcard-Spielern. Hutts Weg muss entweder über die Qualifikation führen, für die stets mehr Spieler melden, als Startplätze vorhanden sind, oder über eine Wildcard, einen geschenkten Platz für das Hauptfeld. Die werden in der Regel an talentierte lokale Spieler vergeben.

Das System der Futures sieht vor, dass alle Turniere der Serie gleichwertig sind. Hutt könnte seinen Punkt auf einem Turnier in Europa verdienen, wo die Zahl der Tennisspieler besonders hoch ist. Er kann aber auch nach Afrika oder Asien reisen, dort auf Punktejagd gehen und vielleicht noch ein paar Tage Urlaub verbringen. Felix Hutt wählt als Ziele Sardinien, Südafrika, Pakistan und Uganda.

Das Buch gibt wunderbare Einblicke in die Niederungen des weltweiten Tennis Circuit. Ich habe bei der Lektüre mit Felix Hutt gebangt, ob es klappt mit der Zulassung zur Qualifikation in Südafrika, damit die Anreise und das Warten und das Training auf der Anlage nicht umsonst war. Ich habe die Enttäuschung gespürt, wenn Hutt nach mehrfacher Nachfrage beim Turnierdirektor und trotz dessen Zusicherung einer Wildcard am Ende abreisen muss, ohne gespielt zu haben. Felix Hutt ist ein tolles Buch für all jene gelungen, die irgendwann im Leben etwas ambitionierter Sport getrieben und für einen kurzen Augenblick von der Profikarriere geträumt haben. Oder manchmal ganz heimlich noch immer träumen.

Hutt, Felix: Lucky Loser. Wie ich einmal versuchte, in die Tennis-Weltrangliste zu kommen. Ullstein 2019. 240 Seiten.

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