Running

„Running“ von Ronnie O‘Sullivan ist 2013 erschienen und nach „Ronnie“ (2003) bereits seine zweite Biografie. Und obwohl „Running“ nicht mehr ganz aktuell ist, hebt es sich positiv von den häufig blutleeren Sportlerbiografien ab.

Ronnie O‘Sullivan ist vielleicht der beste Snooker Spieler aller Zeiten. Ganz sicher aber der schillerndste der letzten 20 Jahre. Nimmt er an einem Turnier teil, verkaufen sich die Eintrittskarten besser und die Einschaltquoten sind merklich höher. An guten Tagen gleicht sein Spiel einer Meditation mit 22 bunten Kugeln. An weniger guten kann er seine Emotionen, seine Unzufriedenheit mit seinem Spiel wenig bis gar nicht verbergen. Ronnie O‘Sullivan hat kein Pokerface. Auch deshalb lieben ihn seine Fans. „Running“ bringt uns den Menschen hinter dem Snookerspieler näher.

Titelseite von Running mit einem Porträtfoto von Ronnie O'Sullivan.
Ronnie O‘Sullivan bewegt die Snooker Fans mehr als jeder andere Spieler.

Die komplizierte Beziehung zwischen O‘Sullivan und dem Sport, der ihn berühmt und vermögend machte, ist kein Geheimnis. Er beschreibt Snooker als seine höchste spirituelle Erfahrung, und wer einmal sein Maximum Break bei der Weltmeisterschaft 1997 gesehen hat, kann diesen Gedanken wahrscheinlich nachvollziehen. Zugleich schildert er, dass er erst 2012 wieder so zufrieden mit seinem Spiel war, wie als 16 Jähriger. Vor 2012 hatte er bereits drei Weltmeistertitel gewonnen.

„Running“ behandelt die Zeit nach O‘Sullivans viertem Weltmeistertitel 2012, nach dem er sich für ein Jahr vom Snooker zurückzog. Er wollte Abstand gewinnen, mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen und war außerdem mit den neuen Vertragsbedingungen des Weltverbandes nicht einverstanden. Dass er bei seiner Rückkehr nach einem Jahr Wettkampfpause WM-Titel Nummer fünf gewinnen konnte, unterstreicht seine Ausnahmestellung.

Wie viele erfolgreiche Snookerspieler hat Ronnie O‘Sullivan schon als Kind mit dem Spiel angefangen. Früh zeigte sich sein außergewöhnliches Talent. Mit zwölf Jahren bekam er ein Angebot von Barry Hearn, Erfinder des modernen Snooker und Manager des damals besten Spielers der Welt, Steve Davis. Zu dieser Zeit spielte er bereits Amateur-Turniere gegen Erwachsene und verdiente 20.000 Pfund im Jahr.

Sein größter Förderer war von Beginn an Ronnies Vater. Er unterstützte ihn aber nicht nur beim Snooker, sondern brachte ihn auch frühzeitig zum Laufsport. Und während es in seinem Leben immer mal wieder Phasen gab, in denen er keine Lust auf Snooker hatte, ist Laufen seine große Leidenschaft und seine Rettung. Ronnie O‘Sullivan leidet unregelmäßig an depressiven Phasen, die er mit Alkohol und Drogen bekämpfte, ehe er sich wieder auf das Laufen besann. Er überlegte zwischenzeitlich ernsthaft, Snooker ganz den Rücken zu kehren, um sich voll dem Laufen zu widmen. Seine Bestzeit über 10km beträgt 34:54 Minuten, aufgestellt in einem Läuferurlaub in Frankreich 2008. An dem Tag fühlte er sich „happiest in my life“.

Snooker schaue ich seit vielen Jahren gerne. Über Ronnie O‘Sullivan wusste ich durch die Übertragungen bei Eurosport schon einiges, dass sein Vater im Gefängnis war zum Beispiel. In „Running“ erlaubt O‘Sullivan Blicke in sein Privatleben und in seine Gefühlslage, die mir den Menschen wirklich näher gebracht haben. Ich habe nicht das Gefühl, einem Star bei der gekünstelten Selbstdarstellung zuzusehen. Sportlerbiografien kranken oft daran, dass nur ein oberflächliches, auf Hochglanz poliertes Image vorgeführt wird, vielleicht angereichert um harmlose Episoden aus der Kindheit und Jugend. Ronnie O‘Sullivan zeigt, dass auch Sportstars mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kämpfen und dass sie auch mal keine Lust auf ihren Job haben. Er zeigt den Menschen hinter dem öffentlichen Sportler. Das macht „Running“ lesenswert. Auch wenn sich das Buch stellenweise liest, als habe O‘Sullivan aufgeschrieben, was ihm gerade durch den Kopf ging. Da hätte etwas mehr Lektorat gutgetan.

O’Sullivan, Ronnie: Running. Die Autobiografie. Copress Sport 2017 (2., bearb. u. erg. Auflage), 288 Seiten. (Original: Running. The Autobiography. Orion 2013.)

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